US-Immobilienrecht

 

Amerika ganz ohne Grundbuch

Wer Immobilien in den Vereinigten Staaten erwirbt, muss sich mit dem dortigen Recht vertraut machen. Sonst drohen böse Überraschungen

 

Jede Krise hat ihre Verlierer - aber auch ihre Gewinner. Das gilt besonders für die Immobilienkrise in den Vereingten Staaten. Während Bilder von amerikanischen Familien um die Welt gingen, die ihre oft aufwendigen Eigenheime räumen mussten, weil sie ihre Hypothekenzinsen nicht mehr bezahlen konnten, will so mancher Europäer die günstigen Preise für den Kauf einer Immobilie in Florida, Texas oder Kalifornien nutzen. Bei dem Erwerb einer Auslandsimmobilie muss jedoch bedacht werden, dass der deutsche Käufer juristisch unbekanntes Gelände betritt. Das deutsche und das amerikanische Grundstücksrecht beruhen auf höchst unterschiedlichen Rechtssystemen.

 

Während unser Recht umfassend kodifiziert ist, orientiert sich das angloamerikanische "common law" an den Entscheidungen seiner Gerichte - den Präzedenzfällen. Dies führt dazu, dass Verträge in Deutschland meist nur einen Umfang von wenigen Seiten haben, weil jeweils ergänzend auf Gesetze zurückgegriffen werden kann. In Amerika aber werden nahezu alle Details vertraglich geregelt. Zudem gibt es auch kein einheitliches Grundstücksrecht. Zwischen den fünfzig Bundesstaaten bestehen teilweise erhebliche Unterschiede.

 

Gefährlich ist eine laienhafte Übersetzung amerikanischer Rechtsbegriffe. Auch wenn viele von ihnen deutschen Bezeichnungen ähneln, weicht ihre Bedeutung in der Praxis meist grundlegend ab. Ein Beispiel für einen irreführenden Rechtsbegriff ist der "notary public". Dieser ist keinesfalls mit einem deutschen Notar gleichzusetzen, den es - mit einer Ausnahme - nach amerikanischem Recht nicht gibt. Der deutsche Notar verfügt über eine juristische Ausbildung und ist für die Beurkundung bedeutender Rechtsgeschäfte zuständig. Er muss die Parteien im Beurkundungstermin umfassend über den Inhalt der von ihnen abzugebenden Erklärungen belehren. Dagegen verfügt der amerikanische "notary public" oft über keine juristische Vorbildung und ist lediglich dazu da, Unterschriften zu beglaubigen. Die Ausnahme findet sich im Bundesstaat Louisiana: Das Rechtssystem dort ist aufgrund seiner französischen und spanischen Wurzeln aus der Kolonialzeit noch immer kontinentaleuropäisch geprägt und schreibt die notarielle Beurkundung von Grundstückskaufverträgen vor.

 

Statt eines Grundbuchs gibt es in Amerika in den jeweiligen Bezirken Landregister. Dies sind reine Archive, in denen Abschriften der Grundstücksübertragungsurkunden ohne rechtliche Prüfung in zeitlicher Reihenfolge aufbewahrt werden. Aufgelistet sind sie in einem Index meist nur nach Veräußerer- und Erwerbernamen, selten auch nach Grundstücken. Anders als in Deutschland ist die Eintragung im Landregister keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Grundstücksveräußerung.

 

Das Fehlen eines Grundbuchs hat erhebliche Konsequenzen für den Grundstückskauf: Die Dokumentation im Landregister gibt keine verlässliche Aussage darüber, ob der Veräußerer tatsächlich berechtigt ist, über das Grundstück zu verfügen. Man kann sich also nicht auf die Richtigkeit der letzten Eintragung verlassen. Es ist rechtlich nicht ausgeschlossen, dass es Eigentum außerhalb des Landregisters gibt und der Verkäufer deshalb nicht der tatsächliche Eigentümer des Grundstücks ist. Auch die Lastenfreiheit des Grundstücks ist nicht sichergestellt.

 

Aus diesem Grund ziehen Grundstückskäufer meist Fachleute hinzu, die sich auf die Immobilienrecherche spezialisiert haben und ihnen nach sorgfältiger Prüfung gegen Gebühr die Rechtsmängelfreiheit des Grundstücks garantieren. Soweit der Immobilienerwerb durch Banken finanziert wird, bestehen detaillierte Vorgaben für den Inhalt und den Umfang der einzuholenden Garantieerklärung.

 

Der Erwerb von Grundeigentum erfolgt in zwei Schritten: Kaufvertrag und Closing. Der Kaufvertrag, der anders als in Deutschland nicht notariell beurkundet wird, sondern allein dem Schriftformerfordernis unterliegt, bewirkt noch keinen Eigentumsübergang. Dennoch trifft den Käufer nach dem Recht der meisten Staaten schon jetzt das Risiko des zufälligen Untergangs der Kaufsache. Wenn also das Ferienhaus in Florida durch einen Wirbelsturm oder die Ranch in Kalifornien durch einen Waldbrand zerstört wird, muss der Käufer den vollen Kaufpreis zahlen, obwohl er zu keinem Zeitpunkt das Besitzrecht an der Immobilie erlangt hat. Auch die Gläubiger des Käufers können bereits nach Abschluss des Kaufvertrages auf das Grundstück zugreifen, während die Gläubiger des Verkäufers nur in die Kaufpreisforderung vollstrecken können.

 

Vorsicht ist bei dem Erwerb von Einzelhäusern geboten, wenn sie in einer neu angelegten Siedlung liegen. Die Bauunternehmer verwenden meist ihre eigenen Vertragsvordrucke, die oft einseitig zu ihren Gunsten formuliert sind. Sie lassen sich zum Beispiel langfristig die Gartenpflege zu hohen Kosten übertragen. Oder sie schließen aus, dass der Vertrag unter den Vorbehalt der Finanzierungszusage der Bank gestellt wird. Zu beachten ist auch, dass das mit dem Grundstück nicht fest verbundene Zubehör regelmäßig nicht mitverkauft wird - es sei denn, dies wird im Vertrag ausdrücklich vereinbart. Es sollte deshalb sichergestellt werden, dass die eingebrachten Möbel oder die Grillanlage auf der Terrasse im Vertragstext als Kaufgegenstand erwähnt sind, um nicht bei der Übergabe des Grundstücks eine böse Überraschung zu erleben.

 

Die eigentliche Übertragung des Eigentums erfolgt im Closing, das meist zwei Monate nach dem Kaufvertrag terminiert wird. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Käufer noch einmal Gelegenheit, das Grundstück auf Herz und Nieren zu überprüfen, um bei festgestellten Fehlern den vertraglich vereinbarten Zustand zu verlangen. In der Praxis teilt sich die Zwischenzeit meist in eine Prüfungs- und eine Nachbesserungsperiode. Oft wird vereinbart, dass der Käufer vom Vertrag zurücktreten kann, wenn in der Prüfungsphase gravierende Mängel des Kaufobjekts festgestellt werden. Das Closing selbst findet oft bei einem Anwalt statt. Die Übertragung des Eigentums erfolgt dann mit der Übergabe einer besonderen Urkunde, der sogenannten "deed". Eine Ablichtung hiervon wird üblicherweise im Landregister eingereicht.

 

 

zuerst abgedruckt in:

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.03.2009